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sein können, weil die Umbrüche und vor allem die Ängste viel zu

stark sind.

Aus meiner Sicht ist es an dieser Stelle wichtig, zwischen drei Äng-

sten zu unterscheiden: Es gibt die Angst der Reichen von den

Armen; die Angst, selber arm zu werden und drittens die Angst der

Armen; über die normalerweise gar nicht geredet wird. Wie ist das

bei einem Arbeitslosen? Gibt es da noch eine Wut? Ich würde sa-

gen, möglicherweise gibt es mehr Resignation als Wut. Mir stellt

sich die Frage wie es wäre, wenn aus Wut und Zorn produktive

Gedanken entstehen würden.

Das ist die eine Dimension; die andere Frage ist, was man eigent-

lich diskutieren soll in Österreich: Wir wollen doch das alle Men-

schen, die bei uns leben und die hier in Österreich daheim sind ein

halbwegs vernünftiges Auskommen haben. Daher muss man debat-

tieren, wem was gesichert werden muss. Im Normalfall wird es wohl

der Zugang zu einer Erwerbsarbeit, von der man leben kann, sein.

Vor zwanzig Jahren hat es im „Spiegel“ noch eine Debatte darüber

gegeben, ob sich ein deutscher Sozialhilfeempfänger auch eine

Theater Karte leisten können soll. An so was denkt man heute gar nicht

mehr. Das sind Fragen, die in Wirklichkeit gar nicht mehr zur

Diskussion stehen, also wir sind schon sehr weit nach unten ge-

kommen.

Ich bleibe trotzdem bei der „Mitmenschlichkeitsfrage“. Wem muss

was gesichert werden? Diese Frage muss meiner Meinung nach zu

der Einsicht führen, dass nicht nur das Überleben, sondern wie

kann man ein gutes Leben führen, eine zentrale Rolle spielt. Ich

glaube, das ist heute eine zentrale politische Frage. Die

Schwierigkeit ist, dass sich kaum jemand an dieser Debatte betei-

ligt oder eine Vorstellung davon macht, was es heißt, mit 700 Euro

oder der Mindestpension leben zu müssen.

Heinz Pichler:

Da fällt mir eine Aussage von Ihnen, Herr Küberl, ein:

„Die Politik hat furchtbare Angst vor den Reichen.“ Das war eine

Aussage in einem Ö1 Interview im Kontext Ihrer Buchpräsentation

und zum Thema Verteilungsdiskussion –

ist das nach wie vor richtig,

oder ist die Aussage zu verwerfen?

Franz Küberl:

Ja, das habe ich gesagt. Ehrlich gestanden, bis mir

der Gegenbeweis erbracht wird, dass die Politik Angst vor den

Armen hat, bleibe ich bei diesem Satz.

Politische Bildung

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