Selbstbestimmung zuwider läuft. Soweit darf man es nicht kommen
lassen, unter keinen Umständen!
Die Mittelschichten kämpfen um Status-Erhalt, auch um Erhalt von
Status-Privilegien für sich und ihre Kinder. Schulen mit hohem Migra-
tionsanteil werden als schädlich eingestuft; es herrsche eine Art „Bil-
dungspanik“, so der deutsche Soziologe Heinz Bude (2011). Gerade
jene Eltern, die selbst Aufsteigermilieus entstammen und nach außen
eine eher grün-liberale und sozial inklusive Grundeinstellung zeigen,
würden jegliche Anstrengungen unternehmen, um ihren Kindern
einen Platz an Schulen in guten Wohngebieten zu sichern und ihnen
so die vermeintlichen Nachteile interkultureller Klassen zu ersparen.
Folgen wir Budes Sozialstrukturanalysen samt Schlussfolgerungen,
so zeigt sich eine „Gesellschaft der Angst“: Man fürchtet, dass es die
eigenen Kinder später einmal nicht mehr soweit bringen werden wie
man selbst – der bildungsoptimistische Lebensentwurf der goldenen
Jahre mit sozialem Fahrstuhlversprechen nach oben scheint ausge-
träumt. Hier schließt sich auch der Kreis zur US-amerikanischen Tea-
Party, deren Unterstützer überwiegend white old men sind – mit
erstaulicherweise überdurchschnittlichem Akademikeranteil: Amerika
first! Und im eigenen Land Vorfahrt für die Tüchtigen, worunter man
exklusiv die angestammten Eliten zählt und dahinter die redlichen
Bürger des arbeitenden Mittelstands und dies gilt in genau dieser
nahezu ständischen Vorstellung von sozialer Ordnung. Wer diesem
Raster der Zugehörigkeit nicht entspricht, hat sich noch weiter hin-
ten und unten anzustellen.
Andererseits erlebt die Mittelschicht auch das obere Hundertstel der
Gesellschaft, das immer reicher wird, sich bei finanzspekulativen
Geschäften unverschämt bedient und zugleich schadlos hält, wenn
die Spekulation schief geht. Die Krisengewinner des Hypo-Desasters
setzen auf hundertprozentige Entschädigung, Wirtschafts-Bankrot-
teure verstecken ihre Yachten an mafiösen Küsten und bunkern ihre
vor dem Konkursverwalter geretteten Konten in der Karibik. Einer-
seits ist man fasziniert von der Schamlosigkeit, gleichwohl führt man
kreuzzugartige Kampagnen in den Leserbriefspalten gegen jeden
und alle, die bessergestellt sind als man selbst – angefangen vom
überbordenden Beamtenapparat, wo sich die faulen Staatsdiener
aufgaben- und sorgenfrei im Warten auf den Feierabend den Hintern
platt sitzen, bis zu den Luxuspensionen der Nationalbanker – und
weil man selbst Maß hält, diesen Verlockungen widersteht und
anständig bleibt, spricht man sich ein Anrecht auf ein Leben in Wür-
de zu. Man geht jeden Tag zur Arbeit, man leistet etwas! Und wenn
diese Lebenslagen in der gesellschaftlichen Mitte mit ihren Lebens-
Politische Bildung
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