Qualifikation bzw. Arbeitsfähigkeit verstanden wird und wie diese
adäquat gemessen werden können. Ein – nach wie vor anhaltender –
Trend, der in allen industrialisierten Volkswirtschaften beobachtbar
ist, ist jener eines steigenden formalen Ausbildungsniveaus der
jeweiligen Population („Bildungsexpansion
4
“ bzw. „Akademisie-
rung“), welches häufig als Indikator für Qualifikationen und Kom-
petenzen herangezogen wird. Der bereits erwähnte Humankapital-
Ansatz, mitsamt seiner Annahme, dass ein Investment in (formale)
Ausbildung sowohl individuell als auch gesellschaftlich lohnend sei,
erfährt im wissenschaftlichen Diskurs breiten unkritischen Support
von Regierungen, auch wenn diese politisch mitunter unterschiedli-
chen Ideologien zugerechnet werden können (vgl. Murphy, 1993).
Dies u.a. deswegen, da bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die weit
verbreitete Ansicht vorherrschend war, dass Automatisierung vor
allem jenen Teil der Beschäftigten bedroht, der lediglich über ein
geringes Ausbildungsniveau verfügt („low skilled workers“). Daraus
folgte, dass die Förderung der (formalen) Ausbildung ein zentrales
Anliegen der Wirtschaftspolitik sein müsse, um das Arbeitslosig-
keitsrisiko der betroffenen Beschäftigtenklassen zu mindern und
löste damit die beobachtete Bildungsexpansion
5
in entwickelten
Volkswirtschaften aus.
Allerdings muss diese Aussage differenziert betrachtet werden, da
die erworbenen (formalen) Qualifikationen als Approximation der Fä-
higkeiten bzw. des Humankapitals auf Basis einschlägiger Arbeits-
marktstrukturdaten zunehmend hinterfragt worden sind (vgl. Schwarz-
bauer, 2017, S. 5). So betonen etwa Acemoglu und Autor (2012),
dass Fähigkeiten, die durch formale Qualifikationsniveaus approxi-
miert werden, per se nicht produktiv sind; vielmehr sind die im Job
ausgeübten tatsächlichen Tätigkeiten entscheidend (vgl. hierzu
auch Schwarzbauer, 2017, S. 6). Damit aktuelle strukturelle Verän-
derungen am Arbeitsmarkt kompensiert werden können, müssen
folglich die Qualifikationen der Beschäftigten an die erforderlichen
Tätigkeiten angepasst werden (vgl. Nagl et al., 2017, S. 3). Die Lite-
ratur zeigt diesbezüglich weiters, dass das formale Ausbildungs-
niveau in Bezug auf den (digitalen) Strukturwandel am Arbeitsmarkt
ein eher schwacher Ansatzpunkt ist, um politisch einzugreifen. Ent-
scheidend ist der Routinegrad von Tätigkeiten, was impliziert, dass
(berufliche) Weiterbildung bzw. Lebenslanges Lernen (LLL) immer
Politische Bildung
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4)
Zur Entwicklung des Bildungsniveaus der österreichischen bzw. Kärntner Erwerbsbevöl-
kerung (25 bis 64 Jahre) im Zeitablauf vgl. Statistik Austria (2017a, S. 142f.).
5)
Die beobachtete Bildungsexpansion hat allerdings nicht alle Bevölkerungsschichten glei-
chermaßen erreicht, und eine Deutung der Bildungsexpansion als Verbesserung der
Chancengleichheit würde die unterschiedliche Entwicklung relativer Bildungschancen ein-
zelner Bevölkerungsgruppen verkennen (vgl. Becker, 2009, S. 90).