hat. Eine globalisierte Weltwirtschaft, eine Wirtschafts- und
Produktionsweise, die auf Wachstum und extremer Ausbeutung von
Mensch und Natur beruht, in Kombination mit einer neoliberalen
Politik, zeitigen mittlerweile sowohl in den Wohlstandszentren als
auch den ärmeren Regionen ähnliche Folgen. „Soziale Polarisierung,
Prekarisierung und der durch die Folgen der Wirtschaftskrise
beschleunigte Abstieg der Mittelschichten in vielen Ländern des
globalen Nordens, die Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung
und die Zunahme von Armut, Migration und Kriegen in Teilen des
,Südens‘ können zu verstärkter politischer Instabilität und umfas-
senden Reproduktionskrisen führen“. (Bader et al. 2011, S. 25.)
Spätestens mit der Fluchtbewegung Mitte 2015 ist klar geworden,
dass diese Krisenphänomene eng zusammenhängen und in der
Zunahme von Flucht und Migration, die nach Europa drängt, einen
Kulminationspunkt erreicht haben. Der politische Diskurs um
Einwanderung sowie die fehlende konstruktive und einheitliche Asyl-
und Migrationspolitik in Europa haben die schon vorher spürbare
Krise politischer Repräsentation und Demokratieentwicklung forciert
und den Boden für die Verbreitung populistischer Parteien aufberei-
tet. Während die politische und mediale Auseinandersetzung auf die
Abschottung Europas und die Behandlung des Themas Migration als
Sicherheitsfrage fokussiert scheint, bleiben auch bei diesem Thema
die grundlegenden Fragen weitgehend ausgeklammert: die Kom-
plexität und die strukturellen Dimensionen von Migrationsursachen
oder die grundsätzliche Frage nach den Steuerungsmöglichkeiten
globaler Migration. „Vor diesem Hintergrund wird immer offensichtli-
cher, dass man der Verpflichtung zu helfen nicht gerecht wird, indem
man einer Minderheit Geflüchteter ein besseres Leben in Europa
ermöglicht. Rettung kann nicht durch die Teilnahme an einer Lotterie
erreicht, die Krise nicht gelöst werden, indem man sich vorrangig mit
Individuen beschäftigt. Flucht darf nicht mehr als Problematik behan-
delt werden, die auf Fallbasis zu lösen ist. Stattdessen brauchen wir
neue strategische Konzepte, die sich sowohl mit den grundlegenden
als auch mit den dringlichen Problemen befassen: Zum einen muss
den aktuell sechzig Millionen Vertriebenen auf der Welt kurzfristig
Schutz geboten werden, zum anderen sollte es oberste Priorität
haben, die globale Massenarmut zu bekämpfen“. (Collier 2016, o. S.)
„Jedes Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet“
Mit dieser drastischen und wiederkehrenden Anklage versucht Jean
Ziegler, der acht Jahre als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht
Politische Bildung
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