Previous Page  56 / 76 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 56 / 76 Next Page
Page Background

hat. Eine globalisierte Weltwirtschaft, eine Wirtschafts- und

Produktionsweise, die auf Wachstum und extremer Ausbeutung von

Mensch und Natur beruht, in Kombination mit einer neoliberalen

Politik, zeitigen mittlerweile sowohl in den Wohlstandszentren als

auch den ärmeren Regionen ähnliche Folgen. „Soziale Polarisierung,

Prekarisierung und der durch die Folgen der Wirtschaftskrise

beschleunigte Abstieg der Mittelschichten in vielen Ländern des

globalen Nordens, die Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung

und die Zunahme von Armut, Migration und Kriegen in Teilen des

,Südens‘ können zu verstärkter politischer Instabilität und umfas-

senden Reproduktionskrisen führen“. (Bader et al. 2011, S. 25.)

Spätestens mit der Fluchtbewegung Mitte 2015 ist klar geworden,

dass diese Krisenphänomene eng zusammenhängen und in der

Zunahme von Flucht und Migration, die nach Europa drängt, einen

Kulminationspunkt erreicht haben. Der politische Diskurs um

Einwanderung sowie die fehlende konstruktive und einheitliche Asyl-

und Migrationspolitik in Europa haben die schon vorher spürbare

Krise politischer Repräsentation und Demokratieentwicklung forciert

und den Boden für die Verbreitung populistischer Parteien aufberei-

tet. Während die politische und mediale Auseinandersetzung auf die

Abschottung Europas und die Behandlung des Themas Migration als

Sicherheitsfrage fokussiert scheint, bleiben auch bei diesem Thema

die grundlegenden Fragen weitgehend ausgeklammert: die Kom-

plexität und die strukturellen Dimensionen von Migrationsursachen

oder die grundsätzliche Frage nach den Steuerungsmöglichkeiten

globaler Migration. „Vor diesem Hintergrund wird immer offensichtli-

cher, dass man der Verpflichtung zu helfen nicht gerecht wird, indem

man einer Minderheit Geflüchteter ein besseres Leben in Europa

ermöglicht. Rettung kann nicht durch die Teilnahme an einer Lotterie

erreicht, die Krise nicht gelöst werden, indem man sich vorrangig mit

Individuen beschäftigt. Flucht darf nicht mehr als Problematik behan-

delt werden, die auf Fallbasis zu lösen ist. Stattdessen brauchen wir

neue strategische Konzepte, die sich sowohl mit den grundlegenden

als auch mit den dringlichen Problemen befassen: Zum einen muss

den aktuell sechzig Millionen Vertriebenen auf der Welt kurzfristig

Schutz geboten werden, zum anderen sollte es oberste Priorität

haben, die globale Massenarmut zu bekämpfen“. (Collier 2016, o. S.)

„Jedes Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet“

Mit dieser drastischen und wiederkehrenden Anklage versucht Jean

Ziegler, der acht Jahre als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht

Politische Bildung

54