Previous Page  55 / 76 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 55 / 76 Next Page
Page Background

19

Politische Bildung

53

Steuerung kritisch beleuchtet. Die Auseinandersetzung mit der Kluft

zwischen Arm und Reich als strukturelle Ursache sozialer Problem-

lagen bildet den Abschluss des Beitrags.

Soziale Fragen aus globaler Perspektive

Die soziale Frage wird im 21. Jahrhundert immer noch meist national

oder in einem regionalen Kontext gedacht. Längst aber ist auch die

soziale Frage zu einer globalen geworden. Armut, Hunger, Unter-

und Mangelernährung, geringe Chancen auf Veränderung der Lebens-

verhältnisse und damit fehlende Zukunftsperspektiven sind für viele

Menschen im globalen Süden normaler Alltag. Obwohl sich die so-

zioökonomischen Daten in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt

verbessert haben, weist die soziale Lage in vielen Weltregionen Ähn-

lichkeiten mit den historischen Missständen im 19. Jahrhundert auf.

Die gravierendsten sozialen Probleme sind absolute oder extreme

Armut

6

, Hunger und Mangelernährung, fehlender Zugang zu sau-

berem Trinkwasser, schlechte Gesundheitsversorgung und fehlende

Systeme zur sozialen Sicherung sowie geringe Chancen auf Bildung

und sozialen Aufstieg. Die Suche nach besseren Lebensbedingungen

verstärkt die Landflucht und den Zuzug in die Ballungszentren. Heu-

te leben circa 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Die Zahl

der Menschen, die in städtischen Elendsvierteln leben, beträgt min-

destens 860 Millionen. Die UNO prognostiziert eine Verdopplung, bis

2030 könnten etwa zwei Milliarden Menschen davon betroffen sein

(vgl. BMZ 2014). Extreme Armut, beengte Wohnverhältnisse und so-

ziale Diskriminierung machen die Slums zu sozialen Konfliktherden.

Aber nicht allein die Tatsache, dass Armut, Verelendung und soziale

Ungleichheit weltweite Phänomene sind, macht die soziale Frage zu

einer globalen. Die sozialen Herausforderungen sind vielmehr Teil

von krisenhaften Entwicklungen, die sowohl in ihren Ursachen als

auch in ihren Folgen nur vor dem Hintergrund globaler Rahmenbe-

dingungen und Entwicklungen analysiert werden können. Im so-

zialwissenschaftlichen Diskurs wird seit einigen Jahren von einer

multiplen Krise (u.a. Brand 2009) oder einer Vielfachkrise (Demirovi

ć

et al. 2011) gesprochen. Im Mittelpunkt steht dabei die Wirtschafts-

und Finanzkrise, die keinesfalls als beendet gilt, deren Management

vor allem durch die Austeritätspolitik neue Krisen hervorgebracht

6)

Extreme Armut ist als Zustand definiert, in dem sich ein Mensch die Befriedigung seiner

Grundbedürfnisse nicht leisten kann. Relative Armut beschreibt Armut im Verhältnis zum

jeweiligen Umfeld eines Menschen.