Previous Page  51 / 76 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 51 / 76 Next Page
Page Background

19

Politische Bildung

4

durch die „Überbrückung gesellschaftlicher Ausdifferenzierungen“

gegeben, sich beispielsweise durch vorteilhafte Wechselbeziehung

oder das Versprechen von sozialer Balance ergibt (ebd., S. 24 ff.).

Daran angeschlossen ist der Aspekt, wie Gesellschaften mit Kon-

flikten umgehen und inwieweit diese in einem allgemein akzeptierten

Verfahren gelöst werden können (ebd. S. 26 ff.).

All diese Konzepte lassen zwei entscheidende Beobachtungen zu:

Erstens fußen sie auf der Vorstellung des Menschen als soziales

Wesen, das „in seiner Abneigung gegen Einsamkeit“, wie es schon

Charles Darwin ausdrückte, „seinen Wunsch nach Gesellschaft über

den Rahmen seiner Familie hinaus“ erfüllt. (Darwin 1982 [1874], S. 80).

Zweitens muss man konstatieren, dass das Fundament des gesell-

schaftlichen Zusammenhalts einem stetigen Wandel unterworfen ist

bzw. sogar sein muss, um auf unterschiedliche Veränderungen adä-

quat reagieren zu können. Diesem Wandel ist man jedoch keineswegs

hilflos ausgesetzt, sondern gerade in einer demokratischen Gesell-

schaftsordnung kann dieser auch bewusst herbeigeführt werden.

Gerade in Umbruchsphasen oder aber auch einer (zumindest gefühl-

ten) Übergangszeit, erscheint es daher notwendig, explizit die Frage

zu stellen, wie wir eigentlich zusammenleben wollen.

5

Einem solchen

Ansatz könnte die Kraft innewohnen, verfahrene Antagonismen nega-

tiver Provenienz aufzubrechen, und in einem positiven demokrati-

schen Diskurs zu transformieren.

Für den kanadischen Philosophen und Politikwissenschafter Charles

Taylor ist genau dieser Prozess der bewussten Artikulation dieser

Frage entscheidend für die Bewerkstelligung der aktuellen gesell-

schaftlichen Herausforderungen:

„Es muss artikuliert werden, also expliziert, gerechtfertigt und

dargestellt werden, wie das neue Zusammenleben aussehen soll

und inwiefern es sich von überkommenen Modalitäten sozialer

Interaktion unterscheidet. Was, anders gesagt, nötig ist, ist eine

Erzählung des Übergangs, der bewerkstelligt werden soll“.

(Taylor 2017, S. 25.)

Daher lohnt es sich wenn man über die „Sozialen Fragen“ des 21.

Jahrhunderts nachdenkt nicht nur den Analyserahmen vor allem hin-

sichtlich der globalen Dimensionen zu erweitern, sondern auch pro-

5)

Als Beispiel für einen solchen aktiv geführten Diskurs sei auf das in den letzten Jahren in

Lateinamerika intensiv diskutierte Konzept des „Buen Vivir“ verwiesen. (Acosta 2016.)