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Politische Bildung
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mit denen man sich in der Zukunft auseinandersetzen wird müssen
und die maßgeblichen Einfluss auf unser soziales Gefüge haben wer-
den, sind die rasanten Entwicklungen in den Bereichen der Nano-
und Cybertechnologie, der Genetik, der Biotechnologie, der künstli-
chen Intelligenz usw., welche die Gesellschaft in einer Art und Weise
verändern, die wir uns heute noch nicht einmal vorstellen können.
„Wir könnten also sagen“, so der israelische Historiker, „dass die
neue menschliche Agenda in Wahrheit nur aus einem einzigen Pro-
jekt (mit vielen Verzweigungen) besteht: Göttlichkeit zu erlangen“.
(Ebd., S. 69.)
Schließlich muss auch Berücksichtigung finden, dass objektive,
mess- und beobachtbare Phänomene, die sich nachhaltig negativ auf
den gesellschaftlichen Kitt auswirken, in vielfältiger Art und Weise
auch von affektiven Aspekten begleitet werden. Allen voran ist hier
die Angst zu nennen, deren toxischer Charakter durchaus in der Lage
ist, das gesellschaftliche Klima nachhaltig zu vergiften. Daher ver-
kündete der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt nicht zu
Unrecht in seiner berühmten Inaugurationsrede von 1933 auch: „[T]he
only thing we have to fear is fear itself“. (Roosevelt 1933) Angstquel-
len gibt es heute zur Genüge: Krieg, Terror, Umwelt- und Naturkata-
strophen sowie Wirtschaftskrisen. Daneben sind jedoch auch durch-
aus subtilere Aspekte zu nennen. So schreibt der deutsche Soziologe
Heinz Bude, in Bezug auf unser gegenwärtiges gesellschaftliches und
ökonomisches System in Europa: „Man kann die Veränderungen so
auf den Punkt bringen, dass wir heute einen Wechsel im gesell-
schaftlichen Integrationsmodus vom Aufstiegsversprechen zur Exklu-
sionsdrohung erleben“. (Bude 2014, S. 19.) Daraus resultiert ein ste-
tiger Kampf, den der Schriftsteller Ilija Trojanow pointiert beschreibt:
„Auch bei uns stecken viele Menschen im Treibsand zwischen
Erfolg und Überflüssigkeit fest. Sie kämpfen darum, nützlich zu
bleiben, wesentlich zu werden, im Wettbewerb zu bestehen, den
drohenden Absturz in die soziale Irrelevanz und materielle Unter-
versorgung zu vermeiden. Es geht um alles. To become redun-
dant lautet auf Englisch die gängige Bezeichnung für den Verlust
des Arbeitsplatzes – die wortwörtliche Übersetzung bedeutet
»überflüssig werden«“. (Trojanow 2013, S. 28 f.)
Dass Affekte zudem noch durch kognitive und linguistische Erkennt-
nisse, wie das Framing (Wehling 2016), und die neuen Möglichkeiten
der vorhandenen Kommunikationstechnologie gezielt instrumentali-
siert werden, wie in jüngster Zeit verstärkt zu beobachten, verschärft
das Problem zusätzlich.