Previous Page  51 / 66 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 51 / 66 Next Page
Page Background

19

Politische Bildung

51

sion und den Krieg auch zu einem weiteren historischen Erfahrungs-

repertoire der sich entwickelnden sozialen Bewegungen.

Allein diese kurze und schematische Rückschau in die jüngere Ge-

schichte des arabischen Raums ließ für die Workshopteilnehmenden

sichtbar werden, dass wir historische Zusammenhänge benötigen,

um jene Momente der Revolte, des Aufruhrs und der sozialen

Bewegungen rekonstruieren zu können. Ohne die Kenntnis derartiger

historischer Zusammenhänge bliebe eine Einschätzung bruchstück-

haft, eine Einordnung der Revolte wäre schlichtweg nicht möglich.

Zugleich stellt sich dabei immer die Frage, welche Geschichte(n)

warum wie relevant ist bzw. sind, d.h. uns als wichtig erscheinen.

Damit untrennbar zusammenhängend stellen sich die Fragen, woher

wir überhaupt unser Wissen über diese Geschichte beziehen und was

wir eigentlich nicht wissen (können), kurz gesagt: Geschichte ist nicht

lediglich eine Erzählung über vergangene soziale Realitäten, sondern

selbst wiederum ein umkämpftes Feld, innerhalb dessen Deutungs-

hoheiten über (historische) Entwicklungen verhandelt werden. Im

Zusammenhang mit den Revolten von 2011 bedeutet das etwa, dass

das nach wie vor wirkmächtige Narrativ über eine friedliche, vor allem

von Studierenden aus den sozialen Mittelklassen getragene Protest-

bewegung, die sich nach demokratischer Mitbestimmung sehnten,

alternative Erzählstränge über die Revolte ausblendet. Soziale und

gewerkschaftliche Kämpfe in den 2000er Jahren in Ländern wie Tu-

nesien und Ägypten, militante ArbeiterInnenstreiks oder etwa die

aktive Partizipation von marginalisierten sozialen Klassen an den

durchaus militanten Protesten finden in einer derartigen Erzählung

keinen Eingang mehr, weil dies offensichtlich den Deutungsrahmen

einer vermeintlich friedlichen Bewegung von Menschen, für die öko-

nomische Ausbeutungsverhältnisse nicht wesentlich seien, stört.

Insofern – so die Schlussfolgerung im ersten Abschnitt unserer Work-

shops – benötigt die historische Rekonstruktion der Revolten von

2011 immer auch ein selbstreflexives Moment und die Klärung, was

wir wissen und warum wir was (nicht) wissen (können). Es benötigt

die Klärung der eigenen (ideologischen) Standpunkte sowie der eige-

nen Standorte, von wo aus wir sprechen.

Ad 2. Eigene Einschätzungen und Analysen zu den Revolten

und ihren Begrenzungen

Im Anschluss an jene grundsätzlichen Reflexionen zu (Nicht-)Wissen

und eigenen Standpunkten diskutierten die Workshopteilnehmenden

in Arbeitsgruppen jeweils eine der folgenden Fragestellungen: