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Politische Bildung
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dass eine derartige plurale Komposition auch zu entsprechenden
inneren politischen Fragmentierungen und Konfrontationen führen
kann. Fehlende konkrete gemeinsame Zielsetzungen, differente poli-
tische Vorstellungen über nächste Schritte und Wellen der Repres-
sion lassen somit erahnen, welche Prozesse der Demoralisierung und
Desorientierung soziale Bewegungen im arabischen Raum nach An-
fangserfolgen durchlaufen haben (vgl. Krieger 2015).
Auch wenn es also angesichts dieser Entwicklungen gegenwärtig so
erscheinen mag, als sei jene gesellschaftliche Utopie von 2011 unter
Flucht, Jihadismus und Krieg begraben worden, eines ist dabei
gewiss: Die herrschenden Eliten im arabischen Raum samt ihren je-
weiligen internationalen Unterstützern produzieren beständig jene
Krisen, denen sie zugleich zu entrinnen versuchen (vgl. Hanieh 2013).
In der Dialektik von Revolution und Konterrevolution haben sich auto-
ritäre Regime in vielen arabischen Ländern vordergründig durchge-
setzt – um den Preis der Zerstörung sozialer und gesellschaftlicher
Strukturen. Zu glauben, damit emanzipatorischen Forderungen län-
gerfristig entkommen zu sein, ist allerdings eine Illusion. Dies zu
erkennen und in die eigene Blickrichtung auf den arabischen Raum
zu integrieren, bedeutet somit auch, jene sozialen und politischen
Prozesse zu sehen, aus denen gesellschaftliche Utopien jenseits von
Ausbeutung und imperialer Intervention erwachsen.
Derartige Spuren aufzunehmen und dabei eine kurze historische
Skizze von einigen wesentlichen Entwicklungen im arabischen Raum
zu rekonstruieren, war somit auch zentraler Bestandteil unserer
Workshops.
Assoziationen, Wissen und politische Analysen
zum arabischen Raum – Elemente des Workshops
Die beiden Workshops wurden jeweils in zwei Abschnitte unterteilt:
1. Assoziationen der Workshopteilnehmenden zu den Jahren 2011,
2009 und 2003 im Zusammenhang mit dem so genannten Nahen
und Mittleren Osten
2. Eigene Einschätzungen und Analysen zu den Revolten und ihren
Begrenzungen
Nachdem die Revolten von 2011 der vorläufige Kulminationspunkt
von unterschiedlichen gesellschaftlichen, gewerkschaftlichen und
politischen Auseinandersetzungen im Laufe der gesamten 2000er