Politische Bildung
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auch in politischen Debattenfeldern vor allem unter dem Stichwort
von Stabilität eingeordnet. Doch was wurde unter Stabilität eigentlich
verstanden?
Während in den 1990er Jahren eine globale Welle der Demokratisie-
rung osteuropäische Länder bis hin zu Chile oder Südafrika erfasst
hatte, schien der arabische Raum davon weitgehend unberührt ge-
blieben zu sein. Es hatte den Anschein, als wäre eben jener Raum
gleichsam ein statischer Block, der sich demokratischen politischen
Forderungen und Entwicklungen erfolgreich entziehen konnte.
Vielfach wurden (wissenschaftliche) Erklärungen für dieses vermeint-
lich beharrende Moment in einer wie auch immer gearteten Kultur
gesucht – eine vermeintlich besondere islamische und/oder arabi-
sche Kultur, die es verhindere, dass autoritäre und monarchistische
Regime zu demokratischen transformiert werden konnten (vgl. Mam-
dani 2004). Mit dieser essentialistischen und homogenisierten Kon-
struktion von Kultur wurde demnach eine vermeintliche gesellschaft-
liche, soziale und politische Stagnation erklärt.
Darauf aufbauend zielten in den 2000er Jahren sodann viele Unter-
suchungen zum arabischen Raum auf die Persistenz autoritärer Re-
gime bzw. politischer Eliten, um letztendlich nachzuweisen, wie sta-
bil derartige Regime seien (vgl. Pawelka 2008). Der Fokus lag dabei
auf den inneren (politischen) Entwicklungen der einzelnen Länder,
sodass der Zusammenhang zwischen globalen ökonomischen sowie
(geo-)politischen Herrschaftsverhältnissen mit je lokalen Machtstruk-
turen nicht weiter beachtet wurde. Dies mutet umso erstaunlicher an,
gerade weil der Begriff Stabilität auch eine eminent geopolitische und
geostrategische Bedeutung hat: Für die USA und die EU bedeuteten
vermeintlich stabile autoritäre Regime im arabischen Raum nichts
weniger als stabile Bündnis- und Allianzpartner. Schließlich waren
diese es, die westliche politische Koordinaten für den gesamten
Raum übernahmen sowie ihre Länder als untergeordnete Teile in
einen globalen kapitalistischen Markt integrierten und neoliberal aus-
richteten. Zugleich versuchten sie mit ihren Repressionsapparaten für
eine gesellschaftliche Friedhofsruhe zu sorgen. Es verwundert also
nicht, dass Herrscher wie Mubarak oder Ben Ali gern gesehene Gäste
in Washington, Berlin oder Paris waren.
Angesichts derartiger Vorstellungen in Bezug auf den Politiken ge-
genüber dem arabischen Raum ist es wenig überraschend, dass die
Revolten von 2011 für die meisten westlichen (wissenschaftlichen
und politischen) KommentatorInnen wie aus heiterem Himmel pas-
sierten. Den arabischen Raum unter dem Diktum von Stabilität und/