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gebunden war. Nicht zuletzt führt dies zu einer höheren Verantwor-

tung gegenüber dem eigenen Umfeld, einem Gegengewicht zur oft

beklagten gesellschaftlichen Entwicklung der Entsolidarisierung.

Das Bundesland Vorarlberg hat sich entschlossen, landesweite Bür-

gerräte nicht nur im Bedarfsfall oder auf Wunsch einzuberufen, son-

dern in gewisser Weise auch zu institutionalisieren. So werden Bür-

gerräte zweimal jährlich von der Landesregierung einberufen, um die

Vorarlberger Bevölkerung bei wichtigen Fragestellungen der Lan-

desentwicklung einzubinden. Im Juni 2015 beschäftigte sich der

Bürgerrat mit dem wohl drängendsten Problem europaweit: Die Auf-

nahme von Flüchtlingen in Vorarlberg als das Thema der Zukunft. 23

Personen haben sich mit den beiden Fragen „Was brauchen wir, um

gut mit dieser Entwicklung umzugehen?“ und „Welche Erwartungen

stellen wir an die Asylwerbenden?“ auseinandergesetzt. Die Ergeb-

nisse wurden in zwei Bürgercafés sowie in einer Resonanzgruppe,

bestehend aus verschiedensten AkteurInnen und VertreterInnen, die

mit der Thematik institutionell befasst sind, präsentiert und disku-

tiert. Zu den Ergebnissen des Beteiligungsprozesses erschien ein

Bürgerratsbericht.

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Erfahrungen in Vorarlberg zeigen, dass die BürgerInnen nach einiger

Skepsis und auch Zögern durchaus bereit sind, sich im Rahmen

eines Bürgerrates zu engagieren. Sie erfahren die Diskussionen und

Workshops durchaus als bereichernd und freuen sich meist über die

Anfrage bzw. die Gelegenheit, ihre Meinung einzubringen. Somit

liegt es an den PolitikerInnen selbst und hier hauptsächlich bei den

gewählten VolksvertreterInnen, ob sie diese Prozesse zulassen und

unterstützen wollen. Ein wichtiger Paradigmenwechsel ist allerdings

Voraussetzung: Politik darf nicht (mehr) als Kampf von Interessen,

sondern muss als Herstellung von Gemeinwohl verstanden werden.

Für die bisher Herrschenden bedeutet Partizipation automatisch

Machtverlust, aber eventuell Vertrauensgewinn. Darauf kann eine

Demokratiereform bauen.

Ein neues Governance-Modell

In einem föderalen Staat wie Österreich sind Demokratiereformen

aufgrund der Verschränkung der verschiedenen Politikebenen Kom-

munen, Bundesländer und Bundesstaat schwerfälliger als in Zen-

tralstaaten. Je größer der eigene Wirkungsbereich der Gemeinden

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Politische Bildung

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3)

http://www.vorarlberg.at/pdf/dokubr_asyl1.pdf

[Zugriff am 7. März 2016]