Erstens: Zu einem Bürgerrat kann man sich nicht melden. Die teil-
nehmenden Personen werden nach dem Zufallsprinzip (z. B. aus
dem Melderegister) ausgewählt und eingeladen. Somit wird verhin-
dert, dass sich hauptsächlich Besser-Gebildete und Besser-Ver-
diendende politisch beteiligen – wie es bei freiwilligen Formen des
politischen Engagements meist der Fall ist. Ein Bürgerrat besteht
auch nicht dauerhaft aus denselben Vertretern, sondern wird nach
jedem erstellten Gutachten wieder aufgelöst bzw. neu bestellt.
Zweitens: Die BürgerInnen treffen sich für zwei Tage (z. B. an einem
Wochenende), um gemeinsam ein Thema zu erörtern. Das Engage-
ment ist daher zeitlich und meist auch thematisch begrenzt und vom
Aufwand abschätzbar. Um sich einzubringen wird kein jahrelanges
Erscheinen etwa bei Sitzungen erwartet.
Drittens: Der Bürgerrat soll nicht bestehende politische Einrichtun-
gen ersetzen, sondern diese ergänzen. Die Einführung von partizi-
pativer Demokratie erfolgt nicht anstatt der repräsentativen oder
direkten Demokratie, sondern anlassbezogen und passend, aber
immer zusätzlich.
Viertens: Der Bürgerrat trifft keine Entscheidungen, sondern spricht
Empfehlungen aus und dient somit der Entscheidungsvorbereitung.
Die Entscheidungsgewalt, aber auch die Rechtfertigung dafür, bleibt
bei den gewählten MandatarInnen, denn nur sie können regelmäßig
bei Wahlen für ihre Entscheidungen zur Verantwortung gezogen
werden.
Fünftens: Als Ergebnis des Bürgerrates wird eine einstimmige,
gemeinsame Erklärung verfasst, die öffentlich erörtert werden kann.
Ziel eines partizipativen Prozesses ist es nicht, eine Mehrheit über
eine Minderheit abstimmen zu lassen, auch der Konsens über
Dissens ist möglich. Es soll versucht werden, alle Interessen und
Anforderungen möglichst in einem gemeinsamen Papier darzustel-
len. Auf diesem Wege führt partizipative Demokratie – anders als die
direkte – nicht zu weiterer Polarisierung innerhalb der Bevölkerung,
sondern fördert die Suche nach dem gemeinsamen Kompromiss.
Komplexe Themen besonders geeignet
Der Bürgerrat eignet sich für unterschiedliche Zielsetzungen: Zur
Information, zur Konsultation oder zur Mitbestimmung. Er empfiehlt
sich aber besonders für komplexe Fragestellungen, bei denen ganz
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Politische Bildung
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