Elke Gruber/Martin Klemenjak
Lebensbegleitende Bildung –
zwischen Müssen, Wollen und Können
Der Terminus „Soziale Frage/n“ wird vielfach im Kontext der politi-
schen und gesellschaftlichen Entwicklungen des ausgehenden 19.
Jahrhunderts verortet. Darunter verstand man „den Versuch, eine
Antwort auf die gravierenden Missstände der Massenverelendung
der Arbeiterschaft“ zu geben (vgl. Pichler/Klemenjak 2015, S. 6). In
dieser Zeit datieren auch die Anfänge des österreichischen Sozial-
staates: „Am Beginn der Entwicklung stand in den 1860er-Jahren die
Einführung der Armenfürsorge in den Kronländern und Gemeinden
der Habsburgermonarchie. Zwei Jahrzehnte später wurden zum ei-
nen verschiedene Arbeitsschutzregelungen beschlossen, zum ande-
ren die Sozialversicherung mit den Zweigen der Unfall- und Kranken-
versicherung etabliert.“ (Obinger/Tálos 2006, S. 51.) Diese Weichen-
stellungen können als Antwort auf die damalige/n Soziale/n Frage/n
gesehen werden. (Vgl. Klemenjak 2017, S. 216.)
Stellen sich Soziale Fragen auch im 21. Jahrhundert? Wir stehen
heute vor vielfältigen Herausforderungen. Beispielsweise kann auf
den Bereich der „atypischen Beschäftigung“ (zum Beispiel Teilzeit,
befristete Dienstverhältnisse, Werkverträge, freie Dienstverträge), auf
„Armut und soziale Ausgrenzung“ oder „Flucht und Asyl“ verwiesen
werden. Es erscheint evident, dass in diesem Kontext der Fokus auf
die „Bildung“ gelegt werden sollte. Denn diese tangiert alle zuvor
genannten Bereiche und es könnte sich dabei um eine Antwort auf
die Sozialen Fragen im beginnenden 21. Jahrhundert handeln. (Vgl.
Klemenjak 2017, S. 216.)
Demnach ist „Bildung als reflektiertes Denken und darauf aufbauen-
des Handeln“ zu verstehen und „eindeutig mehr als Informationsauf-
nahme und Verarbeitung von Wissen“. (Gruber 2004, S. 5.) Aus die-
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Politische Bildung
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