Heinz Pichler:
Zu diesem Anliegen einer umfassenderen Vertretung
all jener Menschen die von Arbeitslosigkeit oder prekären Beschäf-
tigungsverhältnissen betroffen sind, haben die Gewerkschaften eini-
ge interessante Projekte gestartet. Wenn ich Sie richtig verstanden
habe: Sie als sozialpolitische Aktivistin, die auch zivilgesellschaftliche
Aktivitäten setzt, möchten mehr solidarisches Miteinander, wie den
Aspekt der Selbsthilfe stärken, um auch gemeinschaftliche Projekte
und auch eine klare Absage gegenüber diesen nichtregulierten neoli-
beralen Marktmechanismen?
Katerina Anastasiou:
Mehr oder weniger ja. Zu solidarischer Gesell-
schaft ein Beispiel: Wir leben in einer Zeit, in der man um die eigenen
Wörter kämpfen muss. Angelika Merkel oder Wolfgang Schäuble
sagen, sie sind gegenüber Griechenland solidarisch. Allerdings, die
Europäische Union war gegenüber Griechenland nicht wirklich soli-
darisch. Wieso? Weil Griechenland bis Juli sehr hohe Zinsen und
Kredite zurückbezahlt und fast jeder „Staat“ von diesen Zahlungen
profitiert hat.
Wenn ich jemandem gegenüber solidarisch bin, empfinde ich mich
selber als jemanden der nur glücklich sein kann, wenn der neben mir
glücklich ist und ich helfe dieser Person ohne etwas zurück zu erwar-
ten, so verstehe ich zumindest Solidarität. So hat Solidarität inner-
halb der griechischen Gesellschaft funktioniert. Das war wahrschein-
lich der gravierende Unterschied zu anderen Ländern. In Griechen-
land sind bspw. in der Krise hunderte von Solidaritätsinitiativen ent-
standen, in denen Menschen in Form von Nachbarschaftshilfen aktiv
waren.
Heinz Pichler:
Herr Dr. Schulmeister, abschließend ihre Lösungs-
ansätze in Ihrem New Deal aus der zivilgesellschaftlichen und volks-
wirtschaftlichen Perspektive. Sie beschreiben dreizehn konkrete
Forderungen für Österreich. Aber die Kernbotschaft gegen diese neo-
liberale Vorherrschaft lautet: Verteilungsgerechtigkeit, Umverteilung
und Regulierung der finanzkapitalistischen Märkte und entsprechen-
de Zahlungen für das Sozialwesen z.B. in Form einer Finanz-
transaktionssteuer. Wäre das eine zentrale Forderung?
Stephan Schulmeister:
Es geht um die Lösung eines Navigations-
problems. Ich kann eine Standortbestimmung im Prozess der gesell-
schaftlichen Entwicklung nur auf Basis eines Orientierungssystems
vornehmen. Das ist die Voraussetzung, um mit langem Atem handeln
zu können. Mein Grundmodell geht in die Richtung, dass dieses
Phänomen der sogenannten langen Zyklen anders zu erklären ist, als
Politische Bildung
14