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Angelika Hödl:

Ich hätte dazu noch eine Frage, weil immer wieder

auch genannt wird: Soziale Gerechtigkeit und Bildung schützen vor

Anfälligkeit totalitärer Denkweisen, letztlich auch vor den zunehmen-

den rechtsradikalen Gruppierungen in Europa. Alfred Gusenbauer hat

das Beispiel Ungarn genannt, aber ich nenne jetzt auch noch

Holland, ich nenne die skandinavischen Länder, hier gibt es doch

einen relativ gut ausgeprägten Wohlstand für die Mittelschicht und

trotzdem nehmen da die rechten, die radikaleren Gruppierungen zu.

Und irgendwie steht das im Widerspruch auch ein wenig zu dem,

was wir bisher glauben wollten.

Alfred Gusenbauer:

Es ist ein komplexes Phänomen, aber im Kern

geht es natürlich darum, dass unsere Zeit von verschiedensten Äng-

sten und Bedrohungen konfrontiert ist. Das heißt, es ist zwar Bildung

eine gute Voraussetzung, um zu verhindern, dass jemand rechtsradi-

kal wird, aber das ist keine hinreichende Bedingung. Die stärkste

Angst ist die vor dem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozia-

len Abstieg. Und ohne dass ich jetzt ein Schwarzmaler sein will, aber

wirtschaftlicher Abstieg in Europa ist zumindest relativ gesehen et-

was, mit dem wir zu tun haben, nicht nur in der aktuellen Rezession

als Konsequenz der Wirtschaftskrise, sondern auch, weil Europa in

Bezug auf das Weltbruttosozialprodukt mit Sicherheit Anteile verlie-

ren wird. Wir sind einfach der reichste Teil der Welt. Wir werden in

Zukunft – gemessen am Weltbruttosozialprodukt – weniger reich

sein. Noch immer viel reicher, als die meisten anderen, aber, was un-

seren Anteilen am Reichtum der Welt betrifft, wird’s weniger. Das

Problem ist ja, wenn man das, was weniger wird, gerecht verteilen

würde, wäre das alles in Ordnung. Aber, wie immer, verteilen sich ja

die Gewinner und Verlierer in einem höchst ungleichen Ausmaß.

Das löst natürlich zusätzliche Abstiegsängste aus und die sind in rei-

cheren Gesellschaften stärker als in ärmeren Gesellschaften. Weil in

reicheren Gesellschaften es auch mehr Leute gibt, die etwas zu ver-

lieren haben, als in ärmeren Gesellschaften. Daher ist selbst in Län-

dern, die sehr reich sind, wie die Niederlande oder wie das in Schwe-

den oder anderen skandinavischen Ländern der Fall ist, wo der Wohl-

stand sehr, sehr hoch ist, sind dort die Abstiegsängste ganz beson-

ders ausgeprägt.

Heinz Pichler:

Ein Kernstück einer demokratischen Verfassung sind

die Menschenrechte. Die Menschenrechte sind eine globale Rechts-

vorschrift, die in der Deklaration der Menschenrechte seit 1948 ver-

ankert ist. Die Demokratie und die Menschenrechte sind untrennbar

miteinander verbunden, aber auch hier gibt es Problemfelder, die

Politische Bildung

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