und diesen Menschen bei uns eine Chance zu geben und sich inte-
grieren zu können.
Heinz Pichler:
Aber diese Grundstimmung, die eigentlich vorherr-
schend ist, wird doch großteils auch mit Medien oder durch Medien
mehr oder weniger sehr stark verbreitet – diese Angst, dieser Mangel
an Zivilcourage, den Sie da angesprochen haben usw. Und man hat
den Eindruck, dass es hier sowas wie eine kritische, zivilgesell-
schaftliche, mit Zivilcourage ausgestattete Bürgerbewegung in dem
Fall ja gar nicht gibt. Die Parteistrukturen sind ja eigentlich gar nicht
mehr so sehr diese Orte der Willensbildung – wie Sie in unserer Vor-
besprechung gemeint haben, Herr Gusenbauer – wo diese Themen
dann besprochen werden, aufgeworfen werden, wo dann auch Dyna-
mik entsteht, damit auch hier Bürgerbewegungen entstehen, sondern
das sind eher so die Medien. Und die Gesellschaft funktioniert so wie
eine Art Zurufgesellschaft, wenn ich Sie da zitieren darf.
Alfred Gusenbauer:
Wenn wir zum Thema Medien etwas sagen,
steigen wir jetzt ganz tief nach unten sozusagen – sie sind in einem
hohen Ausmaß die Experten dieser sogenannten Zurufdemokratie,
sprich, es wird dort etwas vorformuliert und dann gibt es genügend
Erfüllungsgehilfen in der Politik, die das schneller umsetzen, was hier
gefordert wird, als jegliche parlamentarische oder sonstige Initiative.
Es funktioniert heute in dieser modernen, unter Anführungszeichen
„Demokratur“, wo sozusagen die Chefredaktionen von zwei/drei Leit-
medien mit den Pressesekretären von ein/zwei leitenden Leuten der
Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, im Wesentlichen
auf Zuruf ausmachen, was jetzt geschieht. Und damit entsteht ein
Zustand, in dem der Boulevard die Grundlage der Politik wird. Und
dort findet bekannterweise nicht die kritische Reflexion statt, sondern
dort werden in erster Linie Stimmungen, Vorurteile, erste Reaktionen
und eher niedrigere Instinkte befriedigt. Und das wird immer stärker
zur Grundlage der Politik.
Meinungsbildung in Parteien, Meinungsbildung auch im Parlament, in
Ausschüssen, unter der Aufsicht von Experten, Betroffenen, wird im-
mer stärker in den Hintergrund gedrängt. Das ist natürlich eine im-
mense Gefährdung für die Demokratie, weil es eine Verengung auf
zwei legitime Gefäße der Demokratie ist, nämlich Boulevard-Medien
und Regierung, aber unter völliger Ausklammerung von anderen not-
wendigen Gefäßen der Demokratie. Das führt zum Niveau-Verlust,
was letztendlich bedeutet, dass Entscheidungen getroffen werden,
die immer weniger unterschiedliche Interessen in der Gesellschaft mit
einbeziehen und ausbalancieren. Ich komme auf das zurück, was ich
Politische Bildung
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