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Heinz Pichler:

Das klingt ja ganz spannend, danke für die Erläute-

rungen. Zum heutigen Thema: Was sind Ihrer Meinung nach die zen-

tralen Fragen des 21. Jahrhunderts im Kontext der gesellschaftli-

chen Entwicklung dessen

,

was wir auch hier gehört haben, und auch der

Entwicklung der demokratischen Gesellschaft, in der wir leben?

Welche Erfordernisse diesbezüglich würden Sie hier formulieren.

Lisa Eckhart:

Dann möchte ich gerne beginnen! Also für mich

haben sich aus den Workshops, die ich am Nachmittag besuchte,

einige Fragen herauskristallisiert:

nämlich

ob es ein individuelles oder

ein kollektives Problem gibt – auch bei der Demokratie und

der

demokratischen Bildung? Inwiefern betätigt sich das Individuum für

die Gemeinschaft, und wie kann Verantwortung für die Gemeinschaft

übernommen werden?

Ziel war es ursprünglich, den mündigen Menschen zu erschaffen, das

heißt einen

,

der aus seiner Unmündigkeit herauskommt

,

und

das wur de nicht umgesetzt. Damit meine ich, dass die Menschen

nicht die nötigen Mittel erhalten haben, um dazu in der Lage zu

sein. Sie wurden schlichtweg alleinegelassen! Das geht mit dem

Kapital ismus einher, der diese Idee des Individualismus gefördert hat.

Das wurde uns doch als etwas Gutes verkauft. Es wurde

gesagt, ihr seid jetzt verantwortungsbewusst, für euch zuständig

und seht das als Kompliment und als Privileg an. Es wurde jedoch

kein Fundament bereitet, dass der Mensch tatsächlich mündig und

verantwortungsbewusst agieren kann. Und jetzt wird ein individueller

Beitrag zur De mo kratie erwartet, den aber die Gemeinschaft,

die sich zunehmend auflöst, aufgrund fehlender Vorbereitungen

nicht leisten kann.

Heinz Pichler:

Sie sagen, man wollte den mündigen Menschen er -

schaffen, aber die Menschen sind eigentlich unmündig geblieben. Was

bedeutet das für ein demokratisches Gemeinwesen?

Lisa Eckhart:

Dazu muss ich sagen, dass ich nicht glaube das die

Politik den mündigen Menschen wollte. Vor allem zu jener Zeit,

wenn wir an Kant denken, da war es glaube ich, nicht der Wunsch der

Herrschenden: „Wir hätten so gerne ein mündiges Volk –

ich glaube,

das wäre jetzt so richtig lässig.“ Das kann ich mir nicht vor-stellen, dass

das der Hauptgedanke war, jedoch sollten wir uns

langsam darauf

zubewegen.

Es gibt bereits politische Strömungen, die das sehr wohl befürwor-ten.

Meiner Meinung nach ist es für die Demokratie sehr schädlich,

Politische Bildung

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