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Politische Bildung
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Die Grundlage für die Beseitigung von zivilgesellschaftlichen
Initiativen bildete das „Gesetz über die Überleitung und Eingliederung
von Vereinen, Organisationen und Verbänden“ (Gesetzblatt für das
Land Österreich, Jahrgang 1938), das von den neuen Machthabern
eigens geschaffen worden war, um sich über Vereinsstatuten hinweg-
zusetzen. Eingeleitet durch eine Phase ungeordneten Raubs be-
schlagnahmten die Nationalsozialisten neben Bargeld, Wertpapiere
und Sparbücher auch Grundstücke und Häuser der Organisationen,
sicherten sich Einrichtungsinventar und bemächtigten sich der
Bibliotheken. (Vgl. Pawlowsky/Leisch-Prost/Klösch 2004, S. 22)
Insgesamt sollten die Nationalsozialisten ca. 45 % der österreichi-
schen Vereine und Organisationen auflösen, etwa 23 % in eigene Or-
ganisationen überleiten und knapp über 30 % ihrer formalen Eigen-
ständigkeit überlassen. (Ebd., S. 242) Dass gerade auch Einrichtun-
gen und Institutionen der Arbeiterschaft von der gängigen Auslö-
schungspraxis der Nationalsozialisten betroffen waren, beweist
exemplarisch die Liquidierung des Gewerkschaftsbundes der öster-
reichischen Arbeiter und Angestellten sowie der Kammern für
Arbeiter und Angestellte. Als einstige Eckpfeiler der demokratischen
Ordnung Österreichs hatten sie mit 10. Juni 1938 aufgehört zu exi-
stieren und sollten erst wieder nach dem Ende des Zweiten Welt-
krieges, in ihrer Funktion als Säulen der österreichischen Sozial-
partnerschaft, in Erscheinung treten. (Weidlitsch 2015, S 109 bis 117)
Schlussbetrachtung
Die hier beschriebenen historischen Beispiele referenzieren vor allem
auf relativ schnelle systemische Umbrüche. Eine akute Gefahr für die
Demokratie kann aber auch von langsamen Erosionsprozessen aus-
gehen oder vom Verharren in Verhältnissen der „Postdemokratie“, wie
es der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch beschrieben hat:
Umstände, in denen sich „Langeweile, Frustration und
Desillusionierung breitgemacht haben; in denen die Repräsentanten
mächtiger Interessensgruppen, die nur für eine kleine Minderheit spre-
chen, weit aktiver sind als die Mehrheit der Bürger, wenn es darum
geht, das politische System für die eigenen Ziele einzuspannen; in
denen politische Eliten gelernt haben, die Forderungen der Menschen
zu lenken und zu manipulieren […]“. (Crouch 2013, S. 30)
So mannigfaltig auch die Bedrohungen sind, mit welchen der moder-
ne demokratische Staat gerade heute konfrontiert ist, so viele
Möglichkeiten gibt es jedoch auch für den Einzelnen bzw. die
Einzelne, aktiv am System zu partizipieren und somit die Demokratie